Morgens um halb acht starten Sam, Lara, Sandra und ich unseren Tag. Es wird ein harter Tag werden, denn obwohl die Etappe mit 26 km nicht allzu lang ist, wird sie ziemlich bergig. Wir werden nämlich die schönere Alternativroute laufen, den Camino Duro und nicht an der Straße lang. Also gehen wir los und prompt erst einmal in die falsche Richtung. Also wieder zurück. Wir starten dann tatsächlich um 8 Uhr.
Der Camino Duro hat es tatsächlich in sich. In manchen Abschnitten ist er so steil, dass ich kaum einen Fuß vor den anderen setzen kann. Dafür werden wir mit einer atemberaubenden Aussicht belohnt, die wir im Dunkeln gar nicht hätten genießen können. Also war es gut, dass wir so spät losgegangen sind. Wir machen erstmal eine ausgiebige Pause.
Nach dem kilometerlangen Anstieg folgt der Abstieg. Und der hat es in sich. Mir schmerzen die Füße und die Knie. Meine Waden werden ganz schön gefordert und meine Achillessehne ächzt auch unter dem Gewicht.
Von mir aus, könnte der Tag nun vorbei sein. Aber es geht noch weiter. Wir haben gerade mal 9 km geschafft. Die nächsten Stunden gehen an der Straße entlang und sie scheinen nicht enden zu wollen. Meine Schulter hat sich derweil in den Schmerzgesang eingestimmt und sticht wie verrückt.
Gegen 14 Uhr sind wir immer noch 8 km vom Ziel entfernt. Und die letzten 8 Kilometer geht es nochmal über 600 Höhenmeter aufwärts. Wir schätzen, dass wir heute erst gegen 5 Uhr, also nach 9 Stunden wandern, in der Albergue eintreffen werden. Die nächsten Stunden werden zur Tortur für mich. Ich kann nicht mehr, bin am Ende meiner Kräfte. Aber ich laufe weiter, immer weiter. Welche Wahl habe ich auch? Jedes Mal, wenn ein Dorf auftaucht, denke ich, ich bin am Ziel. Aber es dauert weitere 4 Dörfer auf dem steilen und steinigen Weg nach oben, bis wir tatsächlich angekommen sind. Ich freue mich auf eine Dusche und ein Bett.
Lara und Sam, die ein paar Schritte schneller waren, empfangen Sandra und mich und teilen uns mit, dass es keine freien Betten mehr gibt. Auch die Hostels und Hotels sind belegt. Man gibt uns den Tipp in der Kirche nachzufragen, aber die Dame dort kann diese Entscheidung nicht treffen. Wir sollen bis 6 Uhr warten, sobald das Konzert in der Kirche vorbei ist und den Priester fragen.
Das Konzert in der Kirche endet um 18:30 Uhr, aber vom Priester ist weit und breit keine Spur. Wir fragen einen Mann, der scheinbar irgendeine verwaltende Funktion in der Kirche hat, ob wir dort Unterschlupf gewährt bekommen. Er sagt, es gäbe einen Raum mit 12 Betten, aber der sei dreckig. Dreck ist mir in diesem Augenblick egal, ich brauche ein Bett!!! Die Anstrengung des Tages, die Kälte und das fehlende Bett sind zu viel für mich und ich breche in Tränen aus. Ein Pilger sagt mir, dass das ganz normal sei. Jeder kommt irgendwann an den Punkt, an dem er völlig am Ende ist. Ich dachte ja eigentlich, das wäre der zweite Tag für mich gewesen. Aber da war offensichtlich noch Steigerungspotential.
Die restlichen Deutschen fiebern mit uns und bieten an, uns in die Albergue zu schmuggeln, sodass wir dort auf dem Boden schlafen können. Es ist rührend, wie hier jeder für jeden da ist.
Um 19 Uhr beginnt die Pilgermesse und nun zeigt sich auch der Priester. Wir wohnen also der Messe bei, in der der Priester über die Probleme der Pilger spricht und dass es immer eine Lösung gäbe. Nach dieser Predigt habe ich große Zuversicht, was unseren Schlafplatz angeht. Lara hatte auch schon im nächsten und vorherigen Dorf telefonisch nach Übernachtungsmöglichkeiten gefragt, aber auch dort ist alles ausgebucht.
Nach dem Messe spricht Vit, ein Deutscher, der aber auch spanische Wurzeln hat und fließend spanisch spricht, mit dem Priester. Dieser sagt, er könne uns nicht dort schlafen lassen, da unter anderem die Alarmanlage nicht auszuschalten sei. Die Pläne für den Schmuggelauftrag werden geschmiedet, als Vit nochmals den Mann anspricht, der von dem dreckigen Raum sprach. Er verhandelt so geschickt, dass dieser ein Schriftstück aufsetzt, das wir unterschreiben müssen. Es besagt, dass wir die schlechten Konditionen der Unterkunft akzeptieren. Gegen 20:15 wissen wir nun endlich, dass wir dort schlafen können. Ich bin erleichtert und wir gehen erstmal was essen. Für mich gibt es Pommes und Salat und für Kathi aus Bayern und Sandra das Pilgermenü.
Der Raum ist tatsächlich dreckig und verdammt kalt. Wir haben keine Dusche und nur ein kleines Waschbecken. Da Sam und Lara gelenkiger sind als ich, waschen sie sich auch die Füße im Waschbecken. Ich belasse es bei eine kurzen Erfrischung und behalte die durchgeschwitzten Klamotten gleich an. Ich werde morgen Mittag duschen und dann auch die Kleidung gleich mit waschen. In unserem Raum sind tatsächlich alle 12 Betten belegt und trotzdem ist es die Nacht über sehr ruhig. Wir haben keine Schnarcher dabei. Ich wache schon um kurz nach 5 auf, weil mir kalt ist. Ich hatte keinen Nerv, mir noch die Ski-Unterhose anzuziehen und bin in Unterhose in den Schlafsack geschlüpft. In diesem Zustand merke ich auch, dass er nicht sonderlich atmungsaktiv ist. Ich klebe am Stoff vor Schweiß und doch ist mir kalt. Also stehe ich auf und ziehe mir meine kalte Wanderhose an, gehe kurz zur Toilette und dann nochmal kurz ins Bett um mich vor dem Aufstehen nochmal kurz aufzuwärmen.
Wie es nach dem Aufstehen weiter geht, erfährst du hier morgen!
Alles Liebe
? was für ein Tag!! Aber du hast durchgehalten? Und du bist schon in Galizien angekommen. Toll!!!!