Gleich an meinem ersten Tag lerne ich eine Handvoll Deutsche kennen. Sie alle kennen sich mehr oder weniger lange und sind teilweise schon seit Beginn in Saint-Jean-Pied-de-Port auf dem Weg, also drei Wochen. Eine ganze Zeit lang laufe ich mit Sandra Seite an Seite und sie erzählt mir, dass sie in Bochum Jura studiert und die Semesterferien für ihr Jakobswegabenteuer nutzt. Die Zeit vergeht wie im Flug.
Schon bald sind wir nur noch knapp 5 km von unserem heutigen Ziel Villar de Mazarife entfernt und machen ein Päuschen. Meine Füße tun schon ganz schön weh und eine der Blasen, die ich mir gestern in León geholt habe, reibt sich weiter auf. Also Tape drüberkleben. Überhaupt soll ich viel, viel tapen, sagt Sandra und erzählt von ihrem rekordverdächtigen Tapeverbrauch. Sie hat ihre Wanderschuhe schon nach ein paar Tagen gegen die Sandalen getauscht und läuft seitdem mit Socken in Sandalen. Für sie ist es so am besten.
Ich probiere es auch kurz aus, fühle mich in den Boots aber wohler. Ich werde nachher im Supermarkt nochmal nach einem dünneren Tape und Sonnencreme Ausschau halten. In der Albergue de Jesús gibt es nämlich einen Pool und ich will mir natürlich nicht am ersten Tag einen Sonnenbrand holen.
Sehr viele Pilger, die Sandra auf dem Weg kennengelernt hat, sind Vegetarier. Was mich natürlich wahnsinnig freut. Einen Veganer hat sie aber noch nicht getroffen. Abends kochen immer alle zusammen. Ich werde mich also anschließen und je nachdem, was wir kochen werden, nehme ich mir vorher einen Teil ab, bevor Käse oder ähnliches dazu kommt.
Gegen Mittag kommen wir in der Albergue de Jesús an und sind fast die ersten, nur Meike und Tine checken schon vor uns ein. Die Herberge kann 50 Personen einen Schlafplatz bieten. Sie ist in privatem Besitz und hat meist 4-Bett-Zimmer. Ich kriege also nicht gleich am ersten Abend einen Kulturschock. Sandra sagt, das ist das bisher kleinste Zimmer, dass sie hatte. Auch ist das ihre erste Herberge mit Pool. Ich fühle mich ganz schön verwöhnt am ersten Tag, der mit nur rund 22 km auch recht kurz war. Ich darf mich an diesen Luxus nicht gewöhnen! Es wird nicht immer so schön und herrlich sein. Die Wände sind über und über mit Kritzeleien und Sprüchen übersät und ich stelle fest, dass hier schon eine Menge Leute vor mir waren.
Ab morgen soll es regnen, also wasche ich noch schnell meine Unterwäsche und die Socken, damit ich alle Sets wieder frisch habe. Wer weiß, ob es in den nächsten Tagen so gut trocknen wird.
Nachdem wir uns im Pool abgekühlt haben, machen Sam aus Belgien und Lara aus Berlin erstmal eine Gang zum Supermarkt und holen sich Baguette und Käse. Danach machen erstmal alle Siesta. Nur Sandra und ich schreiben Tagebuch. Sie auf Papier und ich hier.
Morgen wollen alle nach Astorga, das 32 km entfernt liegt. Ob ich das schon am zweiten Tag mit meinen leicht wunden Füßen schaffen werde, weiß ich nicht. Außerdem hatte ich mir zu Hause vorgenommen, in der Albergue Verde einzukehren, einer vegetarischen Albergue mit 26 Betten in 2 Schlafsälen. Diese liegt aber lediglich 15 km vom Start entfernt, sodass ich mich morgen spontan entscheiden werden, ob ich dort Schluss mache oder noch weiter laufe.
Gegen Abend gehen wir in den Supermarkt und kaufen etwas frisches Gemüse, Salat und Kichererbsen ein. Zusammen mit den übrig gebliebenen Zutaten in der Pilgerküche zaubern wir daraus eine wirklich leckere Paella-ähnliche Reispfanne und einen gemischten Salat. Jeden von uns hat das Menü gerade mal 1,70 € gekostet. Und zwar inklusive Wein, den es für 1 € gab.
Wir sitzen noch eine Weile draußen und Sam hat sich eine Gitarre geschnappt. Zusammen mit Lara komponieren sie ein Lied über den Camino und feiern jede neue Zeile, die sich reimt. Es klingt sogar ziemlich gut. Jonas aus Dänemark begleitet ihn auf der Ukulele. Dann wird es dunkel und wir gehen ins Bett. Morgen geht es wieder früh los.
Bis bald vom Camino!
Alles Liebe