Mein Camino Português – Von Ponte de Lima nach Rubiães

Mein Camino Português – Von Ponte de Lima nach Rubiães

Diese Nacht ist der pure Wahnsinn. In unserem Schlafsaal sind drei heftige Schnarcher und es ist brüllend heiß. Ich versuche eines der Fenster zu öffnen, scheitere aber. Ich scheine mir die Ohrstöpsel entfernt zu haben und kann sie nicht wiederfinden. Ich hoffe, dass die Nacht bald vorbei ist und werde beim Blick auf die Uhr bitter enttäuscht. Es ist erst 3 Uhr.
Ich schnappe mir meinen Schlafsack und will mich auf das Sofa im Aufenthaltsraum verkriechen. Dort schnarcht aber auch schon einer. Also setze ich mich auf die Fensterbank in der Dusche an das geöffnete Fenster, um mich abzukühlen. Ich schaue einer Fledermaus zu, wie sie ihre Runden dreht, bis ich nach einer Weile zurück in’s Plastik-Bett gehe, mir die Ersatz-Ohrstöpsel in die Ohren stecke und versuche, noch etwas Schlaf zu bekommen.

Als der Wecker um 6 klingelt, will ich nicht aufstehen. Aber es hilft ja nichts… Um 7 geht’s weiter auf dem Camino. Und zwar mit den Ponchos, denn es regnet. Um uns bei Laune zu halten, mache ich die Musik an. Wir hören während der gesamten Etappe heute Musik, denn das wichtigste Körperteil bei einer Wanderung ist der Geist. Wenn der Kopf mitmacht, kann der Körper vieles schaffen.

Es regnet in Strömen, was auch irgendwann zu viel für meinen Poncho ist. Daher machen wir nach einer Stunde, als wir an einem Café vorbeikommen, direkt eine Pause und trinken erstmal einen Kaffee.
Als wir nach der Pause wieder aufbrechen, hört es auf zu regnen. Der Weg ist gut zu bewältigen und auch recht schön.

An einem Bushäuschen machen wir wieder Pause. Die Bushäuschen auf dem Weg bieten uns schon seit Tagen eine Möglichkeit sitzend Pause zu machen und dabei vor Sonne oder Regen geschützt zu sein. Da wollen wir heute auch nicht mit der Tradition brechen. Als wir nach der Pause wieder aufbrechen und um die Ecke gehen, ist dort direkt ein Café. Auf der Terasse sitzen ein paar Pilger und trinken einen Kaffee. Wir lachen uns halb tot, weil wir direkt neben einem Café in einem Bushäuschen Pause gemacht haben. Da wir aber Veganer sind, haben wir sowieso immer unseren Proviant dabei und können Pause machen, wo wir wollen.

Die nächsten Kilometer geht es immer wieder bergauf und bergab, aber es läuft sich heute irgendwie recht gut. Und das, obwohl meine beiden kleinen Zehen zwei riesige Blasen aufweisen. Zwischen dem dicken Zeh und dem Fußballen hat sich auch schon eine Blase gebildet, außerdem ist meine linke Ferse wund, weil dort eine Blase aufgegangen ist. Der Weg wird zunehmend steiniger und auch deutlich steiler.

Wir kommen am Cruz dos Franceses vorbei und wissen: jetzt ist es nur noch 1 km sehr steil nach oben. Als wir auf dem Gipfel angekommen sind, haben wir eine recht gute Aussicht. Wir haben Glück, dass es nicht mehr geregnet hat auf dem Weg nach oben, denn den steilen Weg mit dem Poncho hinaufzugehen, wäre keine schöne Angelegenheit gewesen.

Kurz hinter dem Gipfel gibt es ein Café. Oder etwas, das sich gerne Café nennt. Es gibt ein paar Plastikstühle und einen Bauwagen, der Getränke und etwas zu essen anbietet. Da es durch den Regen recht kühl ist, entscheiden wir uns, direkt weiter zu geben. Wir grüßen freundlich und bekommen nur einen bösen Blick zugeworfen. Wahrscheinlich hatten die beiden gehofft, dass wir dort etwas essen oder trinken. Da die Portugiesen wenig Rücksicht auf Pilger nehmen, wenn sie an ihnen auf der Straße vorbei fahren, witzeln wir schon seit Tagen, dass es wahrscheinlich eine Prämie oder einen Pokal dafür gibt, je nachdem wie viele Pilger man auf dem Gewissen hat. Auch jetzt scherzen wir, dass die beiden Mörder sind. Da wir zwei Pilger vermissen, die eben noch vor uns liefen, mutmaßen wir, dass sie als Burger auf der Karte stehen. Nennt man dann wohl Pilgermenü… Ach ja, erwähnte ich: nach müde kommt blöd! Und man wird auch weniger vorsichtig, was dazu führt, dass ich umknicke. Ich bin froh, dass ich mich heute Morgen für meine Wanderschuhe entschieden habe und nicht meine Turnschuhe angezogen habe, denn sonst hätte ich mir jetzt wahrscheinlich die Knöchel gebrochen.

Beim Abstieg kommt die Sonne wieder raus. Wir machen noch mal eine Pause und sind dann nach gut 3 km am Ziel. Wir kommen als erste in die Dusche und schmeißen danach unsere Kleidung zusammen in eine Waschmaschine. Die Waschmaschine inklusive Trockner kostet uns vier Euro und wir genießen es, heute nicht selbst waschen zu müssen. Während die Wäsche wäscht, legen wir uns für ein Stündchen ins Bett.

Den Nachmittag verbringen wir im Café, das direkt neben der Albergue liegt. Ich verfasse den heutigen Beitrag und Steffi surft im Internet und liest den Reiseführer für morgen. Heute Abend wird es wieder Nudeln mit Kichererbsen geben, denn mehr gibt der kleine Supermarkt nicht her. Aber einen Sojakakao hat er, worüber wir uns riesig freuen. Morgen kommen wir in eine etwas größere Stadt und können uns endlich Spargel mit Pilzen und Sahnesauce kochen, wovon wir schon seit Tagen träumen.

Durch den Schlafmangel von gestern, wird der Abend sehr kurz und wir gehen früh ins Bett.
Morgen geht’s dann auf knapp 20 km weiter.

Alles Liebe

Rina

4 Kommentare

  1. Thomas
    5. Juni 2019 / 6:25

    Danke für deinen Blog. Weiterhin viele schöne Begegnungen und Erlebnisse. Passt auf euch auf, dass ihr nicht zum Pilgermenu werdet 😉

    • Rina
      Autor
      5. Juni 2019 / 7:14

      Lieber Thomas,
      das machen wir. Ich glaube Veganer will keiner essen, die sind zäh… 😉
      Liebe Grüße
      Rina

  2. Petra Janke
    4. Juni 2019 / 20:42

    Wieder so schön geschrieben der Bericht, man kann sich alles so lebhaft vorstellen!
    Ich hoffe, dass deine Füße durchhalten ?und ihr morgen euer Wunschessen bekommt✊?

    • Rina
      Autor
      4. Juni 2019 / 20:48

      Die werden das schon schaffen. Die Blasen sind wie kleine Kissen 🙂
      Ich hoffe auch, dass wir endlich unser Traumessen machen können!
      Liebe Grüße
      Rina

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