Nach einer unruhigen Nacht wache ich gegen 7 von den anderen auf, die schon wach sind und ihre Rucksäcke packen. Und wieder kommt Camino-Feeling auf. Das morgendliche kollektive Rucksackpacken und Zähneputzen erinnert mich daran. Trotz der Ohrstöpsel höre ich sie deutlich, sowie ich auch die ganze Nacht den Schnarcher gehört habe.
Während die anderen frühstücken, gehe ich los. Ich bin beim Wandern nie der große Frühstücker gewesen. Für die heutige Tour sind wieder einige Steigungen vorausgesagt. In den ersten Minuten lege ich wieder einige Höhenmeter zurück. Auch hier blicke ich immer mal wieder nach hinten, um den atemberaubenden Ausblick zu genießen.
Es ist ein steiniger, steiler Berg hinauf. Da der Weg teilweise so unscheinbar ist, bin ich froh um jedes Steinmännchen, das ich sehe. Ich möchte fast behaupten, dass wenn du alle 20 Meter kein Steinmännchen findest, du dich verlaufen hast.
Plötzlich macht mein Handy Disco, ich habe scheinbar wieder Empfang und erhalte Benachrichtigung zu neuen Kommentaren, E-Mails und leider auch zur Stornierung meiner Unterkunft in Palma. Nach exakt 1 km und etlichen Höhenmetern mache ich eine Frühstückspause, um mich kurz auf den aktuellen Stand zu bringen. Ich versuche näheres zur Stornierung herauszufinden, aber der Empfang ist zu schlecht.
Der Nebel zieht den Berg hinauf oder zieht er von der anderen Seite herunter? Ich weiß es nicht. Aber es sieht sehr mystisch aus und ich verliebe mich immer mehr in diese schöne Insel. Die Gräser sind noch nass von der Nacht und auch der Boden ist hier deutlich feuchter.
Und dann kommt die erste Leiter, mit der ich den ersten Zaun übersteige. Auf der Leiter habe ich noch mal einen genialen Blick, zumindest soweit es der Nebel zulässt.
Abgesehen von den Steinmännchen kann man den Weg auch gut daran erkennen, dass die Steine dreckig sind, weil die Wanderer mit ihren feuchten, rot-erdigen Schuhen schon darauf getreten sind.
Die Sonne kommt raus um macht die Umgebung noch schöner. Ich komme kaum voran und mein Navi gibt mir recht: 2.42 km in 1:33 h! Und dann überquere ich die zweite Leiter und den zweiten Zaun. Mit den matschigen, feuchten Schuhen muss ich aufpassen, dass ich nicht von den Metallsprossen abrutsche, aber ich konzentriere mich und schaffe unfallfrei.
Dann geht es wieder durch hohes Gras, durch das der Weg kaum sichtbar ist. Jeder zweite Schritt muss überprüft werden, damit ich den Weg nicht verliere. Hier kreuzen auch einige umgestürzte Bäume den Weg, über die ich hinüber klettere. Kurz hinter dem Grasland mache ich eine kurze Pause, um meine linke Ferse zu tapen, die jammert heute ganz gewaltig. Die Zeit nutze ich auch, da ich gerade gutes Internet habe, um mir eine neue Unterkunft in Palma für nach meiner Reise zu buchen. Das klappt erstaunlich problemlos und kostet mich nur zehn Euro mehr. Na, diese Hürde hätte ich mal wieder umschifft. Dann wird mir kalt und ich gehe schnell weiter.
Ich warte schon die ganze Zeit, dass mich einer von den anderen überholt, weil ich heute so langsam bin. Aber es ist keiner weit und breit in Sicht.
Ich bin erstaunt, was ich trotz Gewicht für Berge hinauf klettern kann. An einer Stelle weiß ich nicht mehr weiter und klettere den Fels hinauf. Der Fels wird aber immer steiler und schwieriger zu erklimmen, das kann nicht der richtige Weg sein! Also klettere ich ganz langsam den Berg wieder runter und gehe ein Stück zurück. Dort sehe ich dann ein Steinmännchen, das mich wieder auf den richtigen Weg bringt. Endlich erreiche ich den Gipfel, denke ich zum zweiten Mal heute. In der Ferne höre ich Stimmen. Da sind sie.
Bisher bestand der Untergrund aus festen Steinen, jetzt nicht mehr. Ich knicke mehrfach um, weil mir die Steine unter den Füßen wegrutschen und komme einmal zu Fall. Ich bleibe einige Sekunden liegen, den mein Knöchel schmerzt, aber dann geht es schon wieder. (Am Nachmittag nach der Dusche meldet er sich nochmal, aber auch das vergeht im Laufe des Abends.) Gerade habe ich wenig Spaß.
Auf 2/3 des mit wackeligen Steinen bedeckten Berges treffe ich auf Vreni aus München. Sie genießt bei einer Pause eine Zigarette und ist amüsiert darüber, aus welcher Richtung ich komme. Auch ich bin überrascht, dass sie nicht an mir vorbeigekommen ist. Generell laufen wir hier alle streckenweise unterschiedliche Wege, aber kommen doch alle an. Wir unterhalten uns ein wenig und wie selbstverständlich laufen wir gemeinsam weiter bis zum Ziel Estellencs. Zwischendurch verlaufen wir uns immer mal wieder ein bisschen, bis uns mein Navi mit seinem Piepsen darauf hinweist, dass wir vom Weg abgewichen sind. Wir steigen also manches Mal den Berg hinauf und manchmal auch hinab, um wieder auf den Weg zu kommen. Sobald wir ihn dann wieder sehen, frage ich mich, wie wir ihn übersehen konnten!?
Wir sprechen sehr viel und die restliche Tour vergeht wie im Flug. Als wir in Estellencs ankommen, fragen wir nach, ob man aus meiner Einzelzimmerbuchung ein Doppelzimmer machen kann. Das kostet rund 12 EUR mehr und wir willigen ein. Vreni hatte geplant im Zelt zu übernachten, hat aber nicht genug warme Kleidung dabei (wir sind schließlich auf Mallorca im Mai!). Ich hatte ihr angeboten, meine Fleecejacke zu benutzen, aber der Gedanke an eine Nacht im Hotel ist auch nicht verkehrt, findet sie.
Nach einer Runde faulenzen und einer heißen Dusche setze ich mich eine Weile an meinen Blog, um den Beitrag von gestern fertigzustellen und ihn zu veröffentlichen. Danach gehen wir durch den Ort und schießen ein paar Fotos.
Abends gehen wir in das Lokal direkt neben dem Hotel, um zu Abend zu essen. Das wird auch höchste Zeit, denn bisher habe ich nur zwei Bananen und ein paar Hafeflockenkekse gegessen. Leider sei die Küche schon geschlossen, teilt uns der Kellner mit. Ich bin verwundert, denn es ist erst kurz vor 6. Also gehen wir etwas an der Straße entlang zu einem etwas außerhalb gelegenen Italiener, um dort zu essen. Ich bestelle mir eine Pizza Primavera, die gerne noch etwas größer sein dürfte für den Preis, aber geschmacklich ist sie gut. Die Sonne senkt sich immer weiter und taucht das Dorf in ein warmes Gelb. Auch hier ist es wieder so unfassbar schön, dass ich es kaum begreifen kann.
Um 8 gehen wir zurück in’s Hotel und ich schreibe den heutigen Bericht, währen Vreni im Reisführer liest und mit Daheimgebliebenen schreibt. Da ich heute unterwegs deutlich weniger Notizen gemacht habe, als bisher, brauche ich für den Bericht deutlich länger als gestern. Aber ich stelle ihn noch schnell fertig und bearbeite die Bilder, denn morgen gibt es schon wieder soviel Neues zu entdecken…
Bis morgen!
Alles Liebe
Liebe Rina,
ich lese mich gerade durch Deine neuen Berichte und bin wieder sehr beeindruckt. Dein Bilder sind unglaublich und auch Deine Berichte. Ich bin gerade gedanklich weit weg und freue mich mit Dir über die schöne Landschaft und über alles…
Ich wünsche Dir weiterhin ganz arg schöne Tage und vielleicht auch ein paar mehr nette Begegnungen. Aber auch ohne diese, genieße einfach alles was auf Dich zukommt. In Gedanken laufe ich mit!
Ganz liebe Grüße aus Esslingen
Heike
P.S. Ich habe mir jetzt auch einen neuen Rucksack gekauft – dieselbe Marke…
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Liebe Heike,
schön, dass du wieder dabei bist! Und viel Spaß mit deinem neuen Rucksack.
Liebe Grüße
Rina