Die Via Baltica – Von Bad Oldesloe nach Nahe

Die Via Baltica – Von Bad Oldesloe nach Nahe

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Heute wird es heiß. Das merke ich schon mit meinem ersten Schritt nach draußen. Ich habe etwas länger im Bett gelegen, da ich erst um 8:00 Uhr mein Zimmer bezahlen kann. Entgegen der Aussage des Herbergsleiters gibt es doch Frühstück, was ich gerne annehme, denn ich habe nichts dabei. Meine ursprünglicher Plan war, bis zum nächsten Ort zu laufen und dort eine Kleinigkeit einzukaufen.

Kurz nach 9:00 Uhr mache ich mich dann auf den Weg. Die erste Etappe führt durch ein Moor. Es ist feucht und warm. Bei einer Luftfeuchtigkeit von 80 % und einer Temperatur von 22° dauert es keine 5 Minuten und ich bin komplett nass geschwitzt. Aber das Moor ist toll! Ich mache viele Fotos und komme kaum vorwärts, da mich das Moor mit seiner Artenvielfalt fasziniert. Von überall her quakt, gluckert, zischt und zwitschert es. Aber man sieht nichts.

Nach 8 km mache ich meine erste Pause, denn mir qualmen die Füße.

Ich habe das Gefühl ich bin heute nur im Schneckentempo unterwegs, was den Temperaturen geschuldet ist. Ich ziehe wie in jeder Pause meine Schuhe und meine Socken aus und lasse beides trocknen. Meine Unterhose zwickt schneidet unter dem Beckengurt ein. Da ich sowieso kaum jemanden begegne auf dem Weg, ziehe ich die Hose einfach runter und ziehe die Unterhose aus.

Keine 30 Sekunden nachdem die Hose wieder oben ist, kommt ein Kindergarten auf Wanderschaft  auf mich zu. Die Kinder sind neugierig und fragen, warum ich hier säße?‘ Es klingt fast vorwurfsvoll. Ich fühle mich ein bisschen wie ein Affe im Zoo. Einige Kinder fragen mich Dinge, andere starren mich nur an. Starren auf mein Rucksack, auf meine Schuhe, meine Socken, meine Füße, das Tape an den Füßen. Als die Erzieherin ankommen, ignorieren Sie mich völlig. Ich bin irritiert, denn ich hätte wahrscheinlich so reagiert, dass ich die unbekannte Wanderin gefragt hätte, ‚wo sie herkommt, wohin sie geht, wie es ist zu wandern‘. Ich hätte den Kindern so eine Geschichte geboten. Aber gut…

Ein paar Meter weiter stimmen Sie ein Lied an (Alle Kinder lernen lesen), dessen Ballermann-Version mir für die nächsten 3 km nicht aus dem Kopf will.

Ich komme auf einen langen, geraden Weg. Dieser Weg scheint nicht enden zu wollen. Nach schätzungsweise 4 km komme ich endlich an das Ende, an ein kleines Dorf. Ich überlege kurz wie groß meine Chancen stehen, dass ich in diesem kleinen Dorf eine Möglichkeit zum Essen finde oder zumindest einen Supermarkt. Ich entscheide mich dann kurz vor dem Dorf auf einer Parkbank eine zweite Pause einzulegen, denn mir tut mittlerweile alles weh.

Während ich wieder Füße und Socken trocknen lasse, ein wenig Studentenfutter esse und den Rücken strecke, fällt mir ein, dass ich an einem Kloster vorbeikommen sollte. Ich schaue auf der Karte nach und stelle fest, dass ich südlich daran vorbei gelaufen bin. Na toll! Und deshalb bin ich jetzt nach Nahe gegangen statt nach Kayhude…

Ich gehe weiter. Nachdem ich das Dorf durchquert habe, komme ich wieder auf einen langen, geraden Weg. Dieses unendliche geradeaus gehen frustriert mich. Also schaue ich nach unten, denn wenn ich geradeaus schaue, scheint der Weg nicht enden zu wollen.

Zu gucken gibt es nicht viel. Deshalb denke ich. Manchmal denke ich auch nicht. Manchmal spüre ich auch einfach nur meine Schmerzen. Und wieder kommt mir der Gedanke, dass der Weg eine Analogie zum Leben darstellt. Wenn das Leben immer nur geradeaus verläuft ohne Höhen und Tiefen, dann ist das ganz schön langweilig und frustrierend.

Endlich ist der Weg vorbei und ich komme in die Stadt Nahe. Es wurde auch höchste Zeit, denn ich kann nicht mehr. Jetzt wo ich nicht einfach so hinter einem Baum treten kann, muss ich natürlich dringend zur Toilette. So dringend, dass ich nicht anhalten kann um auf meinem Navi nach zu schauen, wohin ich gehen muss. Deshalb laufe ich einfach immer weiter, bis ich an einer Tankstelle vorbei komme, und dort die Toilette benutze.

Bis zur Kirchengemeinde sind es 8 Minuten Fußweg. Ich gehe noch einmal 2 Minuten zurück, denn dort gibt es einen Rewe. Ich will mir Abendessen und etwas für morgen früh kaufen. Glücklicherweise gibt es dort das gleiche Angebot wie zu Hause und ich kaufe für ein Festmahl ein.

(Der Gelbstich kommt daher, dass ich unter einem Sonnensegel sitze)

Pastor Wolf hat mir einen Schlüssel versteckt, mit dem ich ins Gemeindehaus komme. 2 Minuten später kommt eine Frau herein und begrüßt mich sehr herzlich. Sie zeigt mir das gesamte Gemeindehaus, wo ich duschen und Wäsche waschen kann und wo mein Schlafplatz ist.

Als erstes gehe ich duschen. Und wie jeden Tag ist das Duschen das beste nach einer langen Wanderung. Dann muss ich meine Wäsche waschen, die ich glücklicherweise auf einer Wäscheleine im Garten aufhängen kann. Nachdem ich mir das Essen zubereitet habe, setze ich mich in den Garten und verbringe den Nachmittag damit, die weitere Route zu planen, für den nächsten Schlafplatz anzurufen und ein paar Zeilen über den Tag aufzuschreiben.

Abends fehlt mir dann der Appetit für die zweite Portion meines Essens und ich plane sie als Mittagessen für morgen ein. Dann freue ich mich nach einem kurzen Barfußlauf über die Wiese endlich liegen zu können. Mein Rücken ist sehr verspannt und schmerzt.

Die Kirchengemeinde, in der ich morgen übernachten will, kann ich im zweiten Anlauf erreichen und mir ein Schlafplatz sichern. Wäre auch gelacht gewesen. Denn, dass zu viele Pilger unterwegs sind, und ich kein Bett deshalb bekomme, kann auf keinen Fall sein. Ich habe bisher immer noch niemanden getroffen…

Alles Liebe

Rina

2 Kommentare

  1. Petra Janke
    19. Juni 2017 / 20:24

    Das Erlebnis mit den Kindern finde ich traurig ?! Was mich ehrlich erstaunt ist, dass dort niemand unterwegs ist.
    Ist das Moor so wie es immer im Film dargestellt wird. Das würde ich auch gerne mal sehen.?
    Erhole dich gut für den nächsten Weg.
    Hdl ?

    • Rina
      Autor
      19. Juni 2017 / 20:30

      Ja, das fand ich auch. Bei uns sind auch immer nur wenige unterwegs. Wenn ich am Wochenende bei schönem Wetter wandern gehe, treffe ich selten jemanden. Die sind wohl alle in der Stadt oder sonst wo, wo man mit dem Auto hin kommt.
      Das Moor hatte irgendwie was magisches!
      Danke, das mache ich ?

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